EU-Patentreform: Die Kostenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 739/17 (EPGÜ I) – eine schier unendliche Geschichte (Veröffentlicht am 21.11.2023, zuletzt aktualisiert am 15.12.2023)


I. Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 739/17 und die Pflicht der Kostenerstattung

Bekanntermaßen hat das BVerfG der hiesigen Verfassungsbeschwerde vom 31.03.2017 mit Beschluss vom 13.02.2020 stattgegeben und die erste deutsche Ratifikation des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht („EPGÜ“) für nichtig erklärt. Dabei hatte es die BR Deutschland verpflichtet, dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen sowohl im Verfassungsbeschwerdeverfahren als auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Wie berichtet (vgl. die Updates ab dem 12.02.2021), hatte das Gericht dabei den für die Gebührenberechnung maßgeblichen Gegenstandswert ungewöhnlich niedrig festgesetzt, nämlich auf EUR 250.000,00 in der Hauptsache und auf EUR 125.000,00 im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Schon für diese Festsetzung – die im Verfassungsbeschwerdeverfahren anders als sonst nicht von Amts wegen erfolgt, sondern einen Antrag des Kostengläubigers erfordert – hatte das Gericht rund acht Monate benötigt. Auf der Grundlage dieser Gegenstandswerte belief sich der gesamte Kostenerstattungsanspruch des Beschwerdeführers auf EUR 6.145,60 zzgl. Auslagen. Für ein über rund drei Jahre laufendes Verfahren in einer Angelegenheit von – nicht zuletzt nach den stetigen Angaben der Bundesregierung – zentraler Bedeutung für die europäische Wirtschaft mit einem Aktenumfang von mehreren tausend Seiten ein vergleichsweise geringer Betrag.

II. Das Verfahren zur Kostenfestsetzung

Zur Erläuterung für die nicht-anwaltlichen Leser sei angemerkt, dass es zur Erstattung dieses Betrages zunächst eines sog. Kostenfestsetzungsantrags an das Gericht und eines entsprechenden Kostenfestsetzungsbeschlusses durch dieses bedarf. Solange dieser Beschluss nicht ergangen ist, besteht keine durchsetzbare Zahlungspflicht des Kostenschuldners. Üblicherweise ergeht ein entsprechender gerichtlicher Kostenfestsetzungsbeschluss nach Anhörung des Kostenschuldners innerhalb von vier bis sechs Wochen nach Einreichung des Antrags. Nicht jedoch beim BVerfG im Verfahren 2 BvR 739/17.

III. Die Kostenfestsetzung im Verfahren 2 BvR 739/17

Die entsprechenden Kostenfestsetzungsanträge wurden Ende November 2020 beim BVerfG eingereicht. Da das BVerfG seine Akten nicht versendet und die Gerichtsakte nach dessen Mitteilung Anfang November 2017 ungefähr den doppelten Umfang der vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen hatte, ohne dass es zu weiteren Auskünften bereit war, war letzterer zum Zweck der Akteneinsicht nach Karlsruhe gereist. Eine weitere Reise dorthin zum Zweck der Akteneinsicht erfolgte, nachdem er bis Anfang Februar 2018 weder die – am 31.12.2017 fälligen – Stellungnahmen Dritter erhalten hatte, noch das Gericht dazu bereit war, ihm eine telefonische Auskunft über die Anzahl der eingegangenen Stellungnahmen zu erteilen. Im Rahmen der Kostenfestsetzung war u.a. die Erstattung der hierfür jeweils angefallenen Reisekosten beantragt worden.

Die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, erkannte die angemeldeten Beträge fast vollständig an, lediglich die Erstattungsfähigkeit von Reise- und Kopierkosten im Umfang von rund EUR 900,00 wurde bestritten.

Gleichwohl geschah über mehrere Jahre – nichts. Ungeachtet mehrerer Sachstandsanfragen und Verzögerungsrügen des Beschwerdeführers blieb der Antrag unbearbeitet. Im August 2022 willigte die Bundesregierung gar in die freiwillige Zahlung des unstreitigen Betrages ein und wies diesen an.

Den Kostenfestsetzungsbeschluss erließ die zuständige Rechtspflegerin beim BVerfG erst am 10.05.2023, rund zweieinhalb Jahre nach Einreichung des entsprechenden Antrags. Bemerkenswerterweise verweigerte dieser Beschluss die Erstattung jeglicher Auslagen jenseits der Auslagenpauschale von EUR 20,00, die Begründung ist ebenso erstaunlich wie lesenswert.

IV. Die teilweise Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses durch Senatsentscheidung vom 28.09.2023

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers hob das Gericht den Kostenfestsetzungsbeschluss auf, soweit er die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten ablehnte und verwies die Angelegenheit insoweit zur erneuten Entscheidung an die Rechtspflegerin zurück. Die grundlegende Bedeutung der Entscheidung kommt schon darin zum Ausdruck, dass sie durch alle acht Richterinnen und Richter des Zweiten Senats erging.

Die Rechtspflegerin müsste nun eigentlich nur noch die Erstattungsfähigkeit auch der besagten, vom Zweiten Senat als erstattungsfähig bestätigten Reisekosten aussprechen; getan hat sie dies bislang jedoch nicht. Dementsprechend ist die Kostenerstattung im Verfahren 2 BvR 739/17 auch mehr als drei Jahre nach Ende des entsprechenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens nicht abgeschlossen. Damit dauert das Kostenfestsetzungsverfahren inzwischen länger als das Verfassungsbeschwerdeverfahren selbst.

V. Erneute Anfrage der Rechtspflegerin an das BMJ im Oktober 2023

Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt ein Schreiben der Rechtspflegerin aus dem Oktober 2023 übermittelt, in dem diese dem Bundesministerium der Justiz („BMJ“), das vorliegend die Bundesregierung vertritt, ihre Absicht mitteilt, die vom BVerfG in seiner Beschwerdeentscheidung bereits für erstattungsfähig befundenen weiteren Kosten antragsgemäß festzusetzen und dem Ministerium hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme einräumt.

Schon dies ist ein etwas merkwürdiges Vorgehen, wenn man berücksichtigt, dass das Gericht die Erstattungsfähigkeit bereits bestätigt hat, die in Rede stehenden Beiträge, die vollständig belegt wurden bzw. sich ohnehin aus dem Gesetz ergeben, aus dem Kostenfestsetzungsantrag ersichtlich sind und ohnehin nie streitig waren. Dementsprechend teilte das BMJ der Rechtspflegerin binnen einer Woche mit, von einer Stellungnahme abzusehen. Gleichwohl konnte sich die Rechtspflegerin – aus unbekanntem Grund – bislang noch immer nicht dazu durchringen, auch die weiteren Kosten gegen die BR Deutschland festzusetzen.

Man darf gespannt sein, wann die Angelegenheit auch kostenmäßig ihren Abschluss finden wird.


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