Verwaltungsrecht: Kreis Düren untersagt die Ablage von Blumen und Kerzen auf Soldatenfriedhöfen im Hürtgenwald, VG Aachen weist Eilantrag dagegen zurück (Veröffentlicht am 15.02.2023, zuletzt aktualisiert am 23.03.2023)

Auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack im Kreis Düren ruhen mehr als 5.300 Tote; vor allem solche aus der sog. „Schlacht im Hürtgenwald“, einer der längsten und verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges, die zwischen September 1944 und Februar 1945 in der Region bei Aachen tobte. Unter diesen Toten sind auch zahlreiche Zivilisten und ausländische Staatsangehörige, darunter vermutlich Zwangsarbeiter.

Die Gräber auf diesen Friedhöfen sind sog. „Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ gemäß § 1 Abs. 2 des Gräbergesetzes („GräberG“). Solcher Opfer ist nach § 1 Abs. 1 GräberG „in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wachzuhalten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben.“

Für den Kreis Düren unter Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) scheint dies offenbar nicht mehr zeitgemäß zu sein. Dort erließ man zuletzt für die beiden Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack eine neue „Friedhofsordnung“, die es verbietet, dort „Kränze oder Blumen, Vasen oder andere Zeichen der Trauerbekundung“ niederzulegen (vgl. § 4 Ziffer 4. a) FO); Verstöße stellen Ordnungswidrigkeiten dar (vgl. § 7 FO). Die in der bisherigen „Friedhofsordnung“ besonders betonte gesetzliche Verpflichtung des Opfergedenkens aus § 1 Abs. 1 GräberG hat man in der Neufassung gestrichen. Auf den Friedhöfen dennoch abgelegte Blumen, Kerzen und Kränze wurden wiederholt entfernt und vernichtet, z. B. am Volkstrauertag im vergangenen November.

Ein ausführlicher Bericht zu dem Thema findet sich hier.

Als regelmäßiger Besucher der besagten Soldatenfriedhöfe habe ich rechtliche Schritte gegen das Verbot eingeleitet.


Erste Aktualisierung
(Veröffentlicht am 23.03.2023):

Mit Beschluss vom 22.03.2023 hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen unter Vorsitz des Vize-Präsidenten des Gerichts, Markus Lehmler, den von hier am 09.02.2023 eingereichten Eilantrag (Auszug hier) gegen das sog. „Blumenverbot“ des Kreises Düren zurückgewiesen (Az. 9 L 99/23).

In einer ebenso denk- wie merkwürdigen Entscheidung hat das Gericht den insgesamt mehr als 40 Seiten umfassenden Vortrag des Antragstellers, in dem u. a. ausführlich eine drohende Verletzung verschiedener Grundrechte, z. B. der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die entsprechende Friedhofsordnung vom 13.09.2022 sowie deren mangelnde Bestimmtheit und mangelnde Verhältnismäßigkeit gerügt worden waren, mit folgenden drei Sätzen zurückgewiesen:

„Angesichts der in § 4 Abs. 5 der Friedhofsordnung für die Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack vom 13. September 2022 bestehenden Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung für das nach § 4 Abs. 4 lit. a grundsätzlich untersagte Niederlegen von Zeichen der Trauerbekundung zu beantragen, besteht für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass es sich bei der begehrten einstweiligen Anordnung um vorbeugenden Rechtsschutz handeln würde, der dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich fremd ist. Zudem vermag die Kammer keine besondere Eilbedürftigkeit und damit keinen Anordnungsgrund für das Begehren des Antragstellers erkennen.“

Schon die Aussage, vorbeugender Rechtsschutz sei dem „verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich fremd“, verwundert, denn selbstverständlich gewähren die deutschen Verwaltungsgerichte solchen einstweiligen Rechtsschutz tagtäglich hundertfach. Ebenso erstaunt, dass die unmittelbar bevorstehende Verletzung von Grundrechten, insbesondere durch rechtlich hochgradig fragwürdiges Satzungsrecht, in diesem Fall keine besondere Eilbedürftigkeit begründen soll. Geradezu grotesk ist jedoch der Verweis des Gerichts auf die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, um auf den besagten Friedhöfen Blumen oder Kerzen niederlegen zu dürfen und dessen Ansicht, für eine solche Befugnis ohne entsprechende Genehmigung fehle ein „Rechtsschutzbedürfnis“.

Der Antragsteller hat hierzu im Verfahren vorgetragen:

„Es stellt sich auch nicht die Frage nach einer ‚Ausnahmegenehmigung‘. Wie ausführlich und inhaltlich unwidersprochen vorgetragen, handelt es sich bei der vom Antragsteller beabsichtigen Ablage von ‚Zeichen der Trauerbekundung‘ auf den besagten Soldatenfriedhöfen um die Ausübung eines gleich durch mehrere Grundrechte geschützten Verhaltens, die – selbstverständlich, weil grundrechtlich gewährleistet – nicht unter Genehmigungsvorbehalt steht. Es ist umgekehrt die Einschränkung dieser Grundrechte, z. B. auch durch das Verlangen der Beantragung einer ‚Ausnahmegenehmigung‘ für die Vornahme eines solchen Verhaltens, die der Antragsgegner verfassungsrechtlich zu rechtfertigen hat – und hieran durchweg scheitert.“

Dies gilt unverändert. Wenn das VG Aachen den Antragsteller also darauf verweist, er solle doch einen Antrag auf die ausnahmsweise (!) Befugnis zur Niederlegung von Blumen und Kerzen auf einem Friedhof beantragen, stellt dies ein durch mehrere Grundrechte geschütztes Verhalten pauschal unter staatlichen Genehmigungsvorbehalt. Ein Verwaltungsgericht, das eine solche Entscheidung trifft, insbesondere ohne jedes Eingehen auf den vorstehend zitierten Vortrag, sollte sich der frappierenden Implikationen bewusst sein.

Die Entscheidung des VG Aachen bedeutet, dass es derzeit ohne Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung des Kreises Düren verboten und ordnungswidrig ist, auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack z. B. Blumen oder Kerzen niederzulegen. Dies gilt für Angehörige der dort bestatteten Toten ebenso wie für Dritte, die in dieser Form z. B. der dort beerdigten Kinder oder Zwangsarbeiter gedenken wollen. Die Frage, inwiefern diese Konsequenz mit den grundlegenden Ansprüchen eines demokratischen Rechtsstaats, insbesondere der Achtung der Menschenwürde als seiner höchsten Direktive, vereinbar ist, drängt sich auf.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Eine Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen ist möglich und wird zu prüfen sein.

(Titelfoto: Soldatenfriedhof Hürtgen, November 2022)

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