Verwaltungsrecht: Kreis Düren untersagt die Ablage von Blumen und Kerzen auf Soldatenfriedhöfen im Hürtgenwald, OVG NRW weist die Beschwerde gegen die Verweigerung von Eilrechtsschutz zurück (Veröffentlicht am 15.02.2023, zuletzt aktualisiert am 28.08.2023)

Auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack im Kreis Düren ruhen mehr als 5.300 Tote; vor allem solche aus der sog. „Schlacht im Hürtgenwald“, einer der längsten und verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges, die zwischen September 1944 und Februar 1945 in der Region bei Aachen tobte. Unter diesen Toten sind auch zahlreiche Zivilisten und ausländische Staatsangehörige, darunter vermutlich Zwangsarbeiter.

Die Gräber auf diesen Friedhöfen sind sog. „Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ gemäß § 1 Abs. 2 des Gräbergesetzes („GräberG“). Solcher Opfer ist nach § 1 Abs. 1 GräberG „in besonderer Weise zu gedenken und für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wachzuhalten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben.“

Für den Kreis Düren unter Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) scheint dies offenbar nicht mehr zeitgemäß zu sein. Dort erließ man zuletzt für die beiden Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack eine neue „Friedhofsordnung“, die es verbietet, dort „Kränze oder Blumen, Vasen oder andere Zeichen der Trauerbekundung“ niederzulegen (vgl. § 4 Ziffer 4. a) FO); Verstöße stellen Ordnungswidrigkeiten dar (vgl. § 7 FO). Die in der bisherigen „Friedhofsordnung“ besonders betonte gesetzliche Verpflichtung des Opfergedenkens aus § 1 Abs. 1 GräberG hat man in der Neufassung gestrichen. Auf den Friedhöfen dennoch abgelegte Blumen, Kerzen und Kränze wurden wiederholt entfernt und vernichtet, z. B. am Volkstrauertag im vergangenen November.

Ein ausführlicher Bericht zu dem Thema findet sich hier.

Als regelmäßiger Besucher der besagten Soldatenfriedhöfe habe ich rechtliche Schritte gegen das Verbot eingeleitet.


Erste Aktualisierung
(Veröffentlicht am 23.03.2023):

Mit Beschluss vom 22.03.2023 hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen unter Vorsitz des Vize-Präsidenten des Gerichts, Markus Lehmler, den von hier am 09.02.2023 eingereichten Eilantrag (Auszug hier) gegen das sog. „Blumenverbot“ des Kreises Düren zurückgewiesen (Az. 9 L 99/23).

In einer ebenso denk- wie merkwürdigen Entscheidung hat das Gericht den insgesamt mehr als 40 Seiten umfassenden Vortrag des Antragstellers, in dem u. a. ausführlich eine drohende Verletzung verschiedener Grundrechte, z. B. der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die entsprechende Friedhofsordnung vom 13.09.2022 sowie deren mangelnde Bestimmtheit und mangelnde Verhältnismäßigkeit gerügt worden waren, mit folgenden drei Sätzen zurückgewiesen:

„Angesichts der in § 4 Abs. 5 der Friedhofsordnung für die Kriegsgräberstätten Hürtgen und Vossenack vom 13. September 2022 bestehenden Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung für das nach § 4 Abs. 4 lit. a grundsätzlich untersagte Niederlegen von Zeichen der Trauerbekundung zu beantragen, besteht für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass es sich bei der begehrten einstweiligen Anordnung um vorbeugenden Rechtsschutz handeln würde, der dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich fremd ist. Zudem vermag die Kammer keine besondere Eilbedürftigkeit und damit keinen Anordnungsgrund für das Begehren des Antragstellers erkennen.“

Schon die Aussage, vorbeugender Rechtsschutz sei dem „verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich fremd“, verwundert, denn selbstverständlich gewähren die deutschen Verwaltungsgerichte solchen einstweiligen Rechtsschutz tagtäglich hundertfach. Ebenso erstaunt, dass die unmittelbar bevorstehende Verletzung von Grundrechten, insbesondere durch rechtlich hochgradig fragwürdiges Satzungsrecht, in diesem Fall keine besondere Eilbedürftigkeit begründen soll. Geradezu grotesk ist jedoch der Verweis des Gerichts auf die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, um auf den besagten Friedhöfen Blumen oder Kerzen niederlegen zu dürfen und dessen Ansicht, für eine solche Befugnis ohne entsprechende Genehmigung fehle ein „Rechtsschutzbedürfnis“.

Der Antragsteller hat hierzu im Verfahren vorgetragen:

„Es stellt sich auch nicht die Frage nach einer ‚Ausnahmegenehmigung‘. Wie ausführlich und inhaltlich unwidersprochen vorgetragen, handelt es sich bei der vom Antragsteller beabsichtigen Ablage von ‚Zeichen der Trauerbekundung‘ auf den besagten Soldatenfriedhöfen um die Ausübung eines gleich durch mehrere Grundrechte geschützten Verhaltens, die – selbstverständlich, weil grundrechtlich gewährleistet – nicht unter Genehmigungsvorbehalt steht. Es ist umgekehrt die Einschränkung dieser Grundrechte, z. B. auch durch das Verlangen der Beantragung einer ‚Ausnahmegenehmigung‘ für die Vornahme eines solchen Verhaltens, die der Antragsgegner verfassungsrechtlich zu rechtfertigen hat – und hieran durchweg scheitert.“

Dies gilt unverändert. Wenn das VG Aachen den Antragsteller also darauf verweist, er solle doch einen Antrag auf die ausnahmsweise (!) Befugnis zur Niederlegung von Blumen und Kerzen auf einem Friedhof beantragen, stellt dies ein durch mehrere Grundrechte geschütztes Verhalten pauschal unter staatlichen Genehmigungsvorbehalt. Ein Verwaltungsgericht, das eine solche Entscheidung trifft, insbesondere ohne jedes Eingehen auf den vorstehend zitierten Vortrag, sollte sich der frappierenden Implikationen bewusst sein.

Die Entscheidung des VG Aachen bedeutet, dass es derzeit ohne Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung des Kreises Düren verboten und ordnungswidrig ist, auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack z. B. Blumen oder Kerzen niederzulegen. Dies gilt für Angehörige der dort bestatteten Toten ebenso wie für Dritte, die in dieser Form z. B. der dort beerdigten Kinder oder Zwangsarbeiter gedenken wollen. Die Frage, inwiefern diese Konsequenz mit den grundlegenden Ansprüchen eines demokratischen Rechtsstaats, insbesondere der Achtung der Menschenwürde als seiner höchsten Direktive, vereinbar ist, drängt sich auf.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Eine Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen ist möglich und wird zu prüfen sein.


Zweite Aktualisierung
(Veröffentlicht am 21.04.2023):

Gegen den Zurückweisungsbeschluss des VG Aachen vom 22.03.2023 wurde Beschwerde eingelegt, über die nun das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen zu entscheiden hat.



Dritte Aktualisierung
(Veröffentlicht am 03.07.2023):

Mit Beschluss vom 23.06.2023 hat der 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen („OVG NRW“) unter der stellvertretenden Vorsitzenden Richterin Dr. Mareike Weber die Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Aachen, das den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das vom Kreis Düren verhängte Verbot der Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“ auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack abgelehnt hatte, zurückgewiesen.

1. Inhalt der Entscheidung des OVG NRW

Wie bereits das VG Aachen, hat dabei auch das OVG NRW jede inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit der Friedhofsordnung vermieden und seine Entscheidung allein darauf gestützt, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung „schlechthin unzumutbare Nachteile“ drohten (sog. „Anordnungsgrund“, vgl. Beschluss, S. 3, zweiter Abs.).

Ein solcher Nachweis liege weder in der Beseitigung und Vernichtung der abgelegten „Zeichen der Trauerbekundung“ noch in den hierfür drohenden ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen (vgl. Beschluss, S. 3, dritter Abs.). Der Antragsteller habe keine konkreten Umstände benannt, weshalb die zeitnahe Ablage von Blumen oder Kerzen auf den besagten Friedhöfen für ihn „von solch herausragender Bedeutung“ sei, dass er ein diesbezügliches Hauptsacheverfahren nicht abwarten könne. Dass ein solches Verfahren mehrere Jahre dauere, reiche nicht aus (a.a.O.).

Auch fehle dem Antragsteller ein „besonderer individueller Bezug“ zu den besagten Soldatenfriedhöfen, denn eine „verwandtschaftliche oder sonstige individuelle Verbundenheit zu den dort bestatteten Verstorbenen“ sei nicht ersichtlich. Vielmehr könne er seinen verstorbenen Familienmitgliedern unverändert an deren Gräbern gedenken, „diese Art des Gedenkens“ sei „in keiner Weise eingeschränkt“ (vgl. Beschluss, S. 4, erster Abs.).

Weiterhin könne der Antragsteller auch deshalb auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden, weil er für die Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“ eine Ausnahmegenehmigung beim Kreis Düren beantragen könne. Dass er dieses Genehmigungserfordernis für rechtswidrig hält, führe nicht zur Unzumutbarkeit und sei für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes unerheblich (vgl. Beschluss, S. 4, zweiter Abs.).

Unerheblich seien auch die vom Antragsteller vorgebrachten Grundrechtsverletzungen. Sofern die geltend gemachten Grundrechte überhaupt betroffen seien, bestehe nur „eine geringe, für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens hinzunehmende Eingriffsintensität“ (vgl. Beschluss, S. 5).

2. Bewertung

Die Entscheidung des OVG NRW ist ein ebenso trauriges wie typisches Stück juristischer Zeitgeschichte. Es ist ein Musterbeispiel weltfremden Justizhandelns und zeigt anschaulich, wie weit sich Teile der Richterschaft inzwischen nicht nur von ihren verfassungsmäßigen Aufgaben, sondern auch von der Lebenswirklichkeit und dem Anstandsgefühl vieler Menschen entfernt haben. Der Beschluss fügt sich nahtlos in zahlreiche Judikate gerade aus der jüngeren Zeit ein, in der insbesondere die Verwaltungsgerichtsbarkeit es regelmäßig – vielfach unter fadenscheinigen Gründen und mit unverhohlenem ideologischen Unterton – abgelehnt hat, ihre Aufgabe zu erfüllen, nämlich den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger in effektiver Form zur Durchsetzung zu verhelfen. Der Beschluss des OVG NRW ist nur ein weiteres Beispiel für die Mechanismen, die Gerichte anwenden, um sich in womöglich als politisch heikel empfundenen Fällen einer inhaltlichen rechtlichen Auseinandersetzung entziehen zu können und der Exekutive möglichst nicht in die Quere zu kommen.

Wie schon aus dem Kontext der staatlichen „Corona-Schutz“-Maßnahmen hinreichend bekannt, ist der hierfür in Eilverfahren regelmäßig genutzte Hebel die Behauptung des angeblich fehlenden „Anordnungsgrundes“, weshalb der erbetene Rechtsschutz nicht im Rahmen eines Eilverfahrens gewährt werden könne, sondern ein – derzeit schon in erster Instanz regelmäßig mehrere Jahre dauerndes – Hauptsacheverfahren anzustrengen sei. Damit umgeht das Gericht eine Befassung mit den aufgeworfenen rechtlichen Fragen, während der Rechtssuchende über mehrere Jahre gegen den beklagten Zustand zu prozessieren und ihn während dessen hinzunehmen hat.

Die Überzeugungskraft der vorliegenden Entscheidung leidet zunächst schon unter verschiedenen Defiziten in der gerichtlichen Sachverhaltserfassung. Ebenso kurios wie falsch ist z. B. die Behauptung, der Antragsteller habe vorgebracht, auf einen der in Rede stehenden Soldatenfriedhöfe „erst über die Aufarbeitung der Geschichte seiner Familie und deren Bezüge zum Zweiten Weltkrieg aufmerksam geworden“ zu sein. Wo dies vorgetragen worden sein soll, bleibt das Geheimnis des Gerichts. Jedenfalls auf Seiten des Antragstellers ist eine „Aufarbeitung der Familiengeschichte“ – glücklicherweise – nicht vonnöten, allerdings sind hier vier tote und ein schwerstverwundetes Familienmitglied zu betrauern, die ihr Leben bzw. ihre Gesundheit im Zweiten Weltkrieg in der Normandie, der Südeifel, in Polen, in Österreich und Russland eingebüßt haben. Davon abgesehen: Kann die Art und Weise des Gedenkens auf einem Soldatenfriedhof und die Befugnis zur Ablage von Blumen oder Kerzen dort wirklich davon abhängen, wann man auf dessen Existenz aufmerksam wurde? Wird dieses Gedenken „dringlicher“, je länger man vom Bestehen des Friedhofs weiß? Schwer vorstellbar, aber für das OVG NRW scheint dies eine Rolle zu spielen.

Auffällig ist, dass das Gericht jede inhaltliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Rügen hinsichtlich der angegriffenen Friedhofsordnung des Kreises Düren vollständig vermieden hat. Der Antragsteller hatte bereits in erster Instanz ausführlich dazu vorgetragen, dass und weshalb diese Friedhofsordnung, insbesondere das Verbot in deren § 4 Ziffer 4. a), schon mangels einer geeigneten Rechtsgrundlage, aufgrund fehlender Bestimmtheit und mangelnder Verhältnismäßigkeit gleich eine ganze Reihe von Grundrechten verletze und damit rechtswidrig sei. Insbesondere war auf das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, das Recht auf effektiven Rechtsschutz, verwiesen worden, das ein unverzügliches gerichtliches Einschreiten verlange.

Das OVG NRW hat all dies nicht interessiert.

Es hält statt dessen zunächst den Hinweis für wichtig, der Antragsteller könne doch am Grab seiner eigenen Familienangehörigen gedenken, denn „eine verwandtschaftliche oder sonstige individuelle Verbundenheit“ zu den Toten auf den besagten Soldatenfriedhöfen sei nicht zu erkennen. Die Botschaft scheint zu lauten: Was scheren Dich die Kriegstoten anderer Leute? Von einem Obergericht wie dem OVG NRW, dem höchsten Verwaltungsgericht des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, sollte man erwarten können, dass es mit dem in § 1 Abs. 1 des Gräbergesetzes bestimmten gesetzlichen Sonderstatus der Gräber von Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft vertraut ist, die sich insbesondere auf Soldatenfriedhöfen finden, zumal dieser Schutz auch im Verfahren wiederholt betont wurde. Danach ist diesen Opfern kraft Gesetzes in besonderer Weise zu gedenken und für künftige Generationen die Erinnerung daran wachzuhalten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben. Nach Ansicht des OVG NRW gehört zu diesem besonderen Gedenken offenbar nicht die Befugnis zur Ablage einer Kerze oder von Blumen auf einem entsprechenden Soldatenfriedhof – dies zumindest dann, wenn dort nicht ein eigener Angehöriger bestattet ist. Eine bemerkenswerte These. Gibt es also ein Recht auf Gedenken durch Ablage von Blumen oder einer Kerze nur am Grab eigener Familienangehöriger? Was machen dann diejenigen, deren Angehörige z. B. im Ausland gefallen sind und die dort beerdigt wurden? Müssen sie ins Ausland reisen, um ihrer toten Angehörigen durch Ablage einer Kerze gedenken zu können? Das OVG NRW scheint dieser Ansicht zu sein.

Gegen die beantragte Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes spreche außerdem, dass der Antragsteller beim Kreis Düren eine Ausnahmegenehmigung zur Ablage von Blumen und Kerzen auf den besagten Soldatenfriedhöfen beantragen könne. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der umfänglichen Begründung, weshalb allein das Verlangen einer solchen Ausnahmegenehmigung vorliegend rechtswidrig sei, hält das OVG NRW wiederum nicht für nötig. Es stellt lapidar fest, diese stehe weder der Zumutbarkeit eines solchen Antrags entgegen, noch sei sie für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes von Bedeutung. Soll wohl bedeuten: Auch einem rechtswidrigen Antragserfordernis ist nachzukommen. In einem Rechtsstaat eine bemerkenswerte Feststellung.

Zu den vorgetragenen Grundrechtsverletzungen erklärt das Gericht lapidar, diese hätten jedenfalls nur eine „geringe, für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens hinzunehmende Eingriffsintensität“. Eine Verletzung des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) sei nicht dargetan; dass es sich bei der Ablage von Blumen und Kerzen an einem Grab um einen universellen Brauch des Totengedenkens in allen Weltreligionen handle, genüge hierfür nicht. Etwaige Eingriffe in die Grundrechte der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) seien neben der „allenfalls geringen Intensität“ jedenfalls gerechtfertigt – was nur pauschal festgestellt, nicht aber begründet wird. Nach den üblichen rechtsstaatlichen Maßstäben würde eine solche Feststellung es insbesondere erfordern, sich zunächst inhaltlich mit den Rügen des Antragstellers auseinanderzusetzen, wonach für die Friedhofsordnung selbst eine taugliche Rechtsgrundlage fehlt und es der vorliegend maßgeblichen Vorschrift des § 4 Nr. 4 a) an hinreichender Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit fehlt. Erst wenn diese Rügen als nicht durchgreifend befunden und die Gründe hierfür dargelegt wurden, lässt sich die Feststellung treffen, die Eingriffe in die besagten Grundrechte seien gerechtfertigt. Einer in derart zentralen Frage ohne nähere Begründung getroffenen pauschalen Feststellung wie der des OVG NRW fehlt jede Überzeugungskraft.

Die Entscheidung und die in ihr zum Ausdruck kommende allenfalls oberflächliche juristische Befassung belegen einmal mehr, dass der effektive Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zunehmend zur Disposition steht. Gerichtlich gewährleistet wird offenbar mitunter nur noch ein Gebrauch grundrechtlich geschützter Rechte, den das erkennende Gericht selbst als politisch-ideologisch opportun und legitim ansieht, was mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen unvereinbar ist. Eine ebenso schmerzhafte wie wichtige Erkenntnis. Das bereits während der Zeit der staatlichen „Corona-Schutz“-Maßnahmen stark strapazierte Vertrauen der Bevölkerung in die Zuverlässigkeit des Rechtsstaates wird weiter unterminiert, womit Teile der Judikative an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.

Der Beschluss des OVG NRW ist unanfechtbar, gegen ihn kann Verfassungsbeschwerde erhoben werden.


Vierte Aktualisierung
(Veröffentlicht am 28.08.2023):

Inzwischen hat der Kreis Düren durch eine interne Dienstanweisung auf den beiden Soldatenfriedhöfen im Hürtgenwald auch die Ablage von Fotos der Gefallenen in Uniform untersagt; ein Bericht darüber ist hier abrufbar.

(Titelfoto: Soldatenfriedhof Hürtgen, November 2022)

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